In dieser Lektion schauen wir uns an, was man unter VUCA versteht und geben konkrete Beispiele wie sich VUCA in der Arbeitswelt von Lebensmittelunternehmen äußert.
Der Begriff VUCA wurde Mitte der 1990er Jahre vom amerikanischen Militär geprägt, damit sich die militärischen Führungskräfte auf die neue Situation nach dem Ende des Kalten Krieges einstellen konnten.
Denn plötzlich gab es nicht mehr nur einen Feind für die westliche Zivilisation und die Art der Auseinandersetzung hatte sich verändert.1
Torsten Scheller beschreibt in seinem Buch sehr treffend, wie sich Unternehmen und Individuen in der VUCA-Welt fühlen:
„In dieser Welt gibt es keine festen Regeln, keine Gewissheiten und keine klar erkennbaren Zusammenhänge mehr: Alles ist möglich – auch das Gegenteil. Und gleich wieder etwas anderes!“2
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf ist es nun einfach, die vier Komponenten der VUCA-Welt zu verstehen:
– Volatilität = Volatilität, also die Schwankung von z.B. Preisen, Aktienkursen, Zinsen oder auch Märkten in sehr kurzer Zeit.
Mit anderen Worten: Eine Situation kann sich schnell, intensiv und mit unterschiedlicher Regelmäßigkeit ändern, so dass Stabilität immer öfter fehlt. Und diese Volatilität nimmt zu.
– Uncertainty = die Ungewissheit, also die Unsicherheit darüber, was genau passieren wird und welche Auswirkungen das haben wird. Diese Unsicherheit hat zugenommen.
– Complexity = die Komplexität z.B. der Welt und der Arbeitswelt. Es ist schwierig, aufgrund der Komplexität und Vernetzung den Überblick zu behalten. Menschen und Dinge sind heute viel stärker vernetzt. Denken wir an Reisen und Information. Dann gibt es intelligente Fabriken, in denen viele Prozesse automatisiert ablaufen.
– Ambiguität = Ambiguität. Damit ist eine Doppel- oder Mehrdeutigkeit gemeint.
Ein Beispiel ist die Weisungsgebundenheit eines Mitarbeiters gegenüber einem Projektleiter und gleichzeitig gegenüber der Linie. Es kann vorkommen, dass beide Parteien auf Basis der gleichen Information etwas anderes wollen und beide haben recht. Ein klares Richtig oder Falsch gibt es nicht mehr.
Was bedeutet VUCA nun konkret für Sie in Ihrer Arbeitswelt in Lebensmittelunternehmen?
Schauen wir uns ein paar Beispiele an, um die Dimensionen von VUCA besser erfassen zu können.
Beginnen wir mit der Volatilität:
Ein gutes Beispiel für Volatilität sind die Rohwarenpreise.
Generell sind die Rohwarenpreise für Lebensmittel stark abhängig von
– politischen
– wirtschaftlichen und
– und ökologischen Bedingungen beeinflusst.
Globale Krisen verstärken diese Volatilität regelmäßig.
Die Preise steigen in fast allen Kategorien und bei einigen Rohwaren, wie z.B. Weizen oder Öl, kommt es zu Engpässen in der Warenverfügbarkeit.
Experten prognostizieren für die Zukunft eine Verschärfung dieser Situation, z.B. durch
– die globale Klimaerwärmung
– der wachsenden Weltbevölkerung und
– die Nutzung von Rohwaren für Biokraftstoffe
Die Verfügbarkeit ausreichender Rohstoffe einschränken wird nicht mehr gewährleistet sein.
D.h. die Volatilität der Rohwarenpreise wird sich langfristig nicht erholen, sondern für die Rohwareneinkäufer der Lebensmittelindustrie „normal“ werden.
Weiter geht es mit der Kategorie Unsicherheit:
Wenn wir über Unsicherheit in der Lebensmittelbranche nachdenken, ist ein gutes Beispiel die globale Vernetzung unserer Einkaufsquellen.
Nehmen wir den Einkauf von Tiefkühlerdbeeren aus China, Cranberries aus Kanada oder Lebensmittel aus Fernost.
Diese gut abgestimmte Lieferkette gerät bei Ereignissen wie der Corona-Krise oder der Blockade des Suez-Kanals ins Stocken. Rohwarenengpässe und Preissteigerungen sind die Folge.
Ein zweites Beispiel unter der Kategorie Unsicherheit sind zukünftig zu erwartende Ernteausfälle aufgrund des Klimawandels.
Die Lebensmittelindustrie musste schon immer mit Ernteausfällen rechnen, weil es zu wenig oder zu viel geregnet hat oder andere Gründe die Ernte geschädigt haben.
In Zukunft wird es aber noch mehr Ernteausfälle geben, die mehrere relevante Anbauregionen eines Rohstoffes betreffen können, so dass die Unsicherheit für stabile Ernten zunimmt.
Unsere dritte Kategorie: Komplexität:
Die zunehmende Komplexität lässt sich sehr gut an der heutigen Erlebnisse der Kunden im Markt verdeutlichen. Während vor 30 Jahren der Supermarkt oder der Kiosk um die Ecke die einzigen Einkaufsstätten waren, kann der Konsument heute bei
– Lieferservices der großen Handelsketten,
– über eCommerce in den Online-Shops der Markenhersteller oder
– bei Drittanbietern wie Amazon Fresh einkaufen.
Wer schon länger im Vertrieb tätig ist, hat miterlebt, wie die Vertriebskanäle vielfältiger und damit auch komplexer geworden sind.
Mit der zunehmenden Individualisierung unserer Gesellschaft steigt auch der Innovationsdruck und die damit verbundene Komplexität. Es gibt immer mehr Produktsegmente mit immer kürzeren Trendzyklen. Der Lebensmittelhandel fordert immer mehr neue Produkte.
Generell kann man sagen, dass Komplexität deshalb so unangenehm ist, weil wir es hier mit dem Konzept der unknown unknowns zu tun haben. Das bedeutet, dass wir nicht wissen können, dass wir nicht wissen, das wir ein Problem haben werden. Wie wollen wir uns darauf vorbereiten? Wir können es nicht.
Und unsere letzte Kategorie: Ambiguität:
Mehrdeutigkeit beschreibt das Vorhandensein mehrerer Interpretationsmöglichkeiten einer Information und damit mehrerer Lösungswege. Ein Richtig oder Falsch ist bei dieser Eindeutigkeit nicht mehr möglich. Die große Verfügbarkeit von Daten macht uns hier das Leben sehr schwer.
In der Lebensmittelindustrie ist es manchmal so, dass zu bestimmten Ernährungsformen die Studienlage immer wieder anders ist oder zu neuen Ergebnissen kommt. Denken Sie an Kaffee, da sagen Studien mal bedenklich, mal unbedenklich.
Das heißt, für den Verbraucher gibt es immer wieder eine neue Faktenlage und damit auch ein verändertes Konsumverhalten und für das Lebensmittelunternehmen ist es schwierig, hier immer die passenden Antworten und Produkte zu finden.
Man sieht also an diesen Beispielen, dass viele Einflüsse auf die Unternehmen außerhalb des eigenen Einflussbereiches liegen und überraschend auf die Unternehmen treffen können. Es ist vor allem die Komplexität, die uns zu schaffen macht.
Lesenswert:
1 https://dougthorpe.com/leading-in-a-vuca-world/, abgerufen am 9.8.2022
2 Auf den Weg zur agilen Organisation von Torsten Scheller, 2017 im Vahlen Verlag
3 https://projekte-leicht-gemacht.de/blog/business-wissen/vuca/